„130 Jahre Grubenlampen- und Akkumulatorenfertigung in Zwickau“
Die Weltfirma Friemann & Wolf
Als
am 1. Dezember 1879 im Zwickauer Brückenbergschacht II 89 Bergleute infolge einer
Schlagwetterexplosion ums Leben kamen, reifte beim
Mechanicus Carl Wolf der Entschluss, eine sichere
Grubenlampe zu konstruieren, die die
Methangasanreicherung in der Grube anzeigt und
außerdem ein helleres Licht als die Öllampe erzeugt.
So erfand er die berühmte Benzin-Sicherheitslampe.
Carl Wolf wurde am 23. Dezember 1838 in
Oberhohndorf geboren. Sein Vater war der Pächter
des Kirsch’schen Gutes, auf dem 1826 die erste
Dampfmaschine des Zwickauer Reviers betrieben wurde.
Carl heiratete am 20. Mai 1861 Clara Nickel aus
Neustadt bei Stolpen, mit welcher er sechs Kinder
zeugte. In seinem Geschäft und seiner Werkstatt
beschäftigte Carl sich zunächst mit Fleisch- und
Gemüsemaschinen („durch den Wolf gedreht“), mit
Näh- und Wäschewringmaschinen. Im Jahre 1882
stellte er in seiner Werkstatt in der
Nikolaistraße 9 (Innenstadt, später Regerstraße,
heute nicht mehr vorhanden) die ersten
Benzin-Sicherheitslampen her. Die Vorteile dieser
Lampe waren:
- helleres Licht durch den Benzinbrand,
- sicherer Magnetverschluss der Lampe,
- nach Verlöschen der Flamme durch
Zündvorrichtung wieder anzündbar,
- Anzeige der Grubengaskonzentration durch
die Höhe der Aureole (bläulicher Schein über
der Flamme).
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Carl Wolf (1838–1915)
mit Ehefrau |
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Während einer
Eisenbahnfahrt zum Patentamt in Berlin lernte
Wolf den Kaufmann für Baku-Öl und
Sprengstoffe, Heinrich Friemann aus Eisleben
(geb. 1850 in Langendreer), kennen.
Friemann
unterstützte die Pläne Wolfs, indem er das
Grundstück an der Reichenbacher Straße 68
erwarb und darauf eine Fabrik zur Herstellung
von Grubenlampen bauen ließ, die am 1. August
1884 in Betrieb genommen werden konnte. Im
nächsten Jahr setzt der Siegeszug der
Erzeugnisse der Firma Friemann & Wolf ein. In der ganzen
Welt entstanden für die Grubenlampen
Tochtergesellschaften, Niederlassungen und
Verkaufsstellen. Jede namhafte Ausstellung, so
z. B. auch die Weltausstellungen in Antwerpen
(1885, 1894), Paris (1900) und St. Louis
(1904), wurden zur Präsentation der Lampen
genutzt. Fast überall wurde das Unternehmen
mit Medaillen und Auszeichnungen geehrt.
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Heinrich Friemann
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Heinrich Friemann
verstarb schon 1898 (sein Anteil an der Firma
wurde der Familie ausgezahlt) und Carl Wolfs
Sohn Paul (1863–1931) übernahm 1907 die
Geschäftsleitung der neugegründeten GmbH. Der
zum Kommerzienrat ernannte und mit preußischen
und sächsischen Orden dekorierte Carl Wolf starb
am 30. Januar 1915. In den Jahrzehnten ab 1900
war Friemann & Wolf führend an allen
Neuentwicklungen (bis 1945 etwa 120 genehmigte
Patente in Deutschland) auf dem Gebiet der
Grubenlampen beteiligt:
Acetylen-Sicherheitslampen (1901), offene
Acetylenlampen (1904/05), elektrische Lampen mit
Blei- (um 1910) und Nickel-Cadmium-Akkumulator
(um 1913), elektrischen Kopflampen (1923),
elektrische Beleuchtungsanlagen (1928),
Pressluftlampen (1928), Gasanzeigegeräte (um
1928), Bleistarter-Batterien für Autos (um
1923/24) und Nickel-Cadmium-Akkumulatoren für
die Eisenbahn usw. Schon vor dem Ersten
Weltkrieg richtete Friemann & Wolf in den
Bergwerken Lampenstuben ein, in denen vom
firmeneigenen Personal die Grubenlampen
aufgeladen und gewartet wurden. Heute sagt man
in „neudeutsch“ Leasing dazu. |
Das
Firmengelände um 1909 |
Nach
dem Ersten Weltkrieg verlor das Unternehmen seine
Tochtergesellschaften in den „Feindesländern“ USA,
Frankreich, Großbritannien und Belgien ersatzlos.
Dafür wurden in Zwickau die Betriebsteile Werk II
(Reichenbacher Straße 89) und Werk III (Emilienstraße
24A) aufgebaut. Als Firma, die Erzeugnisse für die
Kriegführung im Zweiten Weltkrieg herstellte
(Akkumulatoren, Batterien, Handlampen), ging sie im
November 1945 in das Eigentum der Sowjetunion über (es
war aber keine Enteignung per Volksabstimmung am 30.
Juni 1946 und Überführung in Volkeigentum), während
sich in der Niederlassung Duisburg die Führung der
Firma Friemann & Wolf etablierte. Zwei der drei
Produktionslinien für die Herstellung von
Starterbatterien in Zwickau gingen als
Reparationsleistung nach Polen, während die
Sowjetische Militäradministration in Deutschland mehr
Wert darauf legte, für ihre Militärfahrzeuge und die
Uranbergwerke im Erzgebirge die entsprechenden
Produkte (Batterien, Grubenlampen) fertigen zu lassen.
Am 1. Mai 1952 wurden die Grubenlampenwerke Staatliche
AG der elektrotechnischen Industrie Zwickau „Kabel“
in das Volkseigentum der DDR überführt.
Dieser Betrieb entwickelte sich zum größten Hersteller
von Akkumulatoren und Starterbatterien in der DDR. Die
GAZ Geräte- und Akkumulatorenwerk Zwickau GmbH, GAZ
Batterie GmbH, GAZ Notstromaggregate Zwickau GmbH,
Hoppecke GmbH in Zwickau, Johnson Controls
Sachsen-Batterien GmbH & Co. KG und WESOMA GmbH
stehen heute als wichtige Arbeitgeber in der Tradition
der Friemann & Wolf GmbH Zwickau.
Die
Geschichte dieser Unternehmen und die der Entwicklung
der Grubenlampen und Akkumulatoren können Sie in dem
2014 erschienen, 552-seitigen Buch „130 Jahre
Grubenlampen- und Akkumulatorenfertigung in Zwickau“
nachlesen. Über 1000 – zum Teil farbige – Bilder
veranschaulichen 130 Jahre Industriegeschichte in
Zwickau.
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